Mellerin Möllers feiert in Braunschweig die geteilte deutsche Meisterschaft

„Noch ist der Titel surreal für mich“

An ihren ersten deutschen Meistertitel hatte die Mellerin Ria Möllers am Morgen vor dem Stabhochsprung in Braunschweig noch keinen Gedanken verschwendet – noch weniger der Deutsche Leichtathletik-Verband, der die Athletin von Bayer Leverkusen in seiner Vorberichterstattung nicht einmal als Medaillenkandidatin eingestuft hatte. „Ich freue mich noch mehr über meine neue Bestleistung als über den Titel. Aber natürlich: Die erste Medaille bei einer Frauen-DM zu holen – und dann gleich eine goldene – ist schon etwas ganz Besonderes“, sagte die 24-Jährige.

Mit 4,40 Metern sorgte Möllers nicht nur für eine erneute Steigerung ihrer persönlichen Bestmarke nach zwei Wochen um weitere fünf Zentimeter, sondern auch für ein DM-Novum der Stabhochspringerinnen: Sie lieferte sich mit Stefanie Dauber einen identischen Wettkampf und teilte sich den Titel. „Geteilte Freude ist doppelte Freude“, sagte die Konkurrentin des SSV Ulm strahlend. „Mit Steffi zusammen zu gewinnen ist total schön“, verdeutlichte auch Möllers, warum sie bei den Stabhochspringerinnen von der „Familie“ spricht.

Die Mellerin hatte bei brütender Hitze erfolgreich gepokert. Das übliche Einspringen verkürzte sie deutlich. „Wir haben darauf gesetzt, dass ich Energie spare und dann im Wettkampf Sicherheit und Konstanz entwickeln werde“, sagte sie. Der Plan ging voll auf. „Technisch wurde ich von Sprung zu Sprung besser.“

Ihre ersten drei Höhen (4 Meter, 4,10 Meter und 4,20 Meter) überquerte die 24-Jährige nach eigener Aussage „nicht schön“, aber dennoch souverän jeweils im ersten Versuch. Damit war ihr nach drei Sprüngen bereits mindestens der vierte Platz sicher. Bei den 4,30 Metern machte es die Mellerin spannend. Im dritten Versuch meisterte sie aber auch diese Hürde. „Da habe mich allerdings schon ein wenig drübergewurschtelt“, sagte Möllers, nach dieser Höhe geteilte Dritte mit Dauber, lachend. Zu diesem Zeitpunkt führte die erneut favorisierte Titelverteidigerin Lisa Ryzih (ABC Ludwigshafen) vor Katharina Bauer, Vereinskameradin von Möllers.

Im zweiten Anlauf übersprangen erst die Mellerin und dann auch Dauber die 4,40 Meter. Ryzih und Bauer scheiterten an dieser Höhe. Dauber, die DM-Zweite des Vorjahres, und Möllers machten also den Titel unter sich aus. Ihre 4,40 Meter bedeuteten zudem deutsche Jahresbestleistung. Die 4,45 Meter waren dann für beide Athletinnen an diesem heißen Tag zu hoch. „Steffis Versuche über die 4,45 waren knapper als meine“, gestand Möllers, die im zweiten Versuch an einer weiteren Steigerung recht nahe kam.

Die Wettkämpfe in Braunschweig fanden coronabedingt ohne Zuschauer statt. „Wir haben untereinander für Athmo gesorgt und uns mitsamt den Trainern gegenseitig angefeuert. Das war auch schön“, sagte Möllers. „Natürlich haben wir auch nach dem Wettkampf den nötigen Abstand eingehalten. Ich fand es allerdings schon etwas schade, dass wir uns diesmal nicht standesgemäß umarmen konnten.“

„Es wird noch ein paar Tage dauern, ehe ich den Titel für mich richtig realisieren kann. Noch kommt er mir surreal vor“, sagte Möllers am Tag nach der Meisterschaft. Bei ihrer ersten Frauen-DM war Möllers 2018 in Nürnberg mit 4,15 Metern auf Rang acht gelandet. 2019 in Berlin wurde die Mellerin mit übersprungenen 4,31 Metern – damals ihre neue Bestmarke – Vierte. Im zweiten Jahr verletzungsfrei zu sein zahlt sich für die 24-Jährige zunehmend aus. Seitdem entwickelt sich Möllers kontinuierlich weiter.

Auf den Titel ruht sich Möllers nicht aus – im Gegenteil. Nach dem DM-Wettbewerb am Samstag ging es schnell ins Hotel in Braunschweig und dann zum Onkel nach Hannover. Richtig genießen konnte sie die zahlreichen Glückwünsche aus Melle und Leverkusen erst am Sonntag. Nach dem heißen Wettkampf in Braunschweig plagten sie bis zum frühen Schlafengehen starke Kopfschmerzen. Von Hannover aus fuhren ihre Eltern sie am Sonntag nach Hamburg, wo mittags der Flug nach Stockholm anstand. Am Montag nimmt Möllers im schwedischen Sollentuna an einem internationalen Meeting teil – mit dem guten Gefühl einer frischen deutschen Titelträgerin.

Bericht von Christian Detloff, Neue Osnabrücker Zeitung - Sport regional -

Foto: Iris Hensel

 

Nachstehend noch der Kommentar in der NOZ von Christian Detloff:

Standort stärken

Herzlichen Glückwunsch, Ria Möllers! 13 Jahre nach Jan Fitschen hat diese Region wieder eine Nummer eins bei einer deutschen Leichtathletik-Meisterschaft im Stadion. Der Sieg in der olympischen Kernsportart zählt wesentlich mehr als in einer Disziplin mit weniger profihaft trainierenden Sportlern.

Dass die Mellerin seit 2015 in Leverkusen trainiert, schmälert den Stolz dieser Region nicht. Die 24-Jährige entwickelte beim SC Melle das Talent und die Grundfähigkeiten, ohne die der große deutsche Leichtathletik-Traditionsverein ihr keinen Wechsel schmackhaft gemacht hätte.

Möllers hat sich seit 2019 enorm weiterentwickelt. Jetzt geht es ihr um weitere Konstanz auf diesem Niveau und den nächsten Schritt. Dass ihre Freude über die Bestmarke größer als die über den Titel ist, verdeutlicht den Ehrgeiz der Mellerin. Sogar Olympia 2021 in Tokio – sofern es dazu kommt – ist nun kein krass abwegiges Ziel mehr.

Im Gegensatz zu Möllers trainiert Olympia-Aspirant Fabian Dammermann weiter in Osnabrück – der Bundestrainer hat angesichts der viel besseren Infrastruktur in Hannover dafür wenig Verständnis. Die Stadt Osnabrück sollte angesichts von zwei DM-Startern und vielen weiteren Talenten mehr in den Leichtathletik-Standort investieren. Dass beispielsweise die seit 20 Jahren als alt geltende Laufbahn auf der Illoshöhe noch nicht erneuert ist, ist ein echtes Trauerspiel.

c.detloff@noz.de